Vom Marathon de Paris habe ich durch einen Artikel eines Lauf-Blogs, den ich verfolge, erfahren. Dieser Bericht erweckte Lust daran teilzunehmen und zusätzlich lebt und arbeitet einer meiner besten Freunde in Paris, so dass ich „zwei Fliegen mit einer Klappe“ erwischen konnte. Also meldete ich mich im November für den Lauf am 3. April 2022 an und plante einen Aufenthalt zusammen mit meiner Frau von 8 Nächten, um ausreichend Zeit für Stadt und Freundschaftsbesuch zu haben.

Einen Marathon zu laufen, entscheidet niemand spontan. Dazu benötigt jeder bereits etwas Lauferfahrung. Ich habe etwas mehr Erfahrung und bereits ein paar Marathons absolviert. Darum ist mir die konkrete und lange Trainingsphase bekannt. Diese sieht 3-4 Läufe pro Woche und davon am Wochenende immer einen sehr langen, langsamen Dauerlauf (zwischen 30-35 km) vor. Insgesamt ist der Wochenumfang zwischen 60-80 km. Das bedeutet eine Menge Zeit. Jeder sollte solch ein Vorhaben mit Partner*innen und Familie geklärt haben, sonst entstehen schnell Konflikte, weil man noch ein Ründchen drehen muss.

Die konkrete Trainingsphase beginnt ca. 12 Wochen vor dem Marathon. Die Trainingsläufe waren gerade im Januar und Februar durch stürmisches und nasskaltes Wetter beeinflusst. Unter solchen Bedingungen muss jeder seinen inneren Schweinehund permanent besiegen. Der Lohn ist aber nebenbei eine Widerstandsfähigkeit, die beim Marathon für bestimmte mentale und körperliche Schwächephasen Gold wert sein kann.

Am Donnerstag vier Tage vor dem Marathon war die Trainingsphase beendet und ich reiste zusammen mit meiner Frau aus Berlin mit dem Zug via Köln nach Paris. Mit ca. 8 Stunden Fahrzeit ist man vielleicht 2-3 Stunden länger unterwegs als mit dem Flieger (Transfer und Check-In kosten auch viel Zeit), aber es ist eine entspanntere Reise und zudem nachhaltiger. In Paris angekommen entschieden wir uns sofort zur Marathon-Expo zu gehen, um auch noch ein wenig Bewegung zu haben. Die Marathon-Expo ist auf dem Pariser Messegelände und dient zur Startnummernausgabe. Darüber hinaus kann jeder dort unzählige Anbieter rund um das Thema Laufen und Sport allgemein besuchen. Aber das war für mich weniger interessant. Was ich am Marathon de Paris cool fand, dass es neben der Startnummer keinen klassischen transparenten Plastikbeutel für die Gepäckaufbewahrung am Lauftag gab, sondern einen kleinen und feinen Rucksack. Der sah schick aus und ist zusätzlich auch nachhaltig, denn er war an den Tagen nach dem Marathon ein praktischer Begleiter für die Tagesausflüge.

Am Freitag, den 1. April inspizierten meine Frau und ich die Marathonstrecke. Wir studierten dazu den Metroplan, um herauszufinden, an welchen Stellen meine Frau mich an der Strecke sehen kann. Dieser 1. April hatte tatsächlich auch einen Aprilscherz parat: das Wetter. In Paris gab es einen Mix aus Schnee, Schneeregen und Regen in Verbindung mit Wind und Temperaturen um die 0-3 Grad Celsius. Meine große Sorge war tatsächlich das Wetter für den Lauf. Einer der größten Gegner ist meist Gegenwind. Die Wetterprognose weckte aber Hoffnung, dass es besser wird.

Marathonmorgen: der erste Blick nach dem Wachwerden galt dem Wetter. Yes…Sonne und kaum Wind. Es sollte auch der beste Tag im gesamten Parisaufenthalt sein. Nur das Thermometer zeigte 0 Grad Celsius an. Aber damit kann jeder umgehen und entsprechende Kleidung anziehen.

Wir hatten somit „Kaiserwetter“ und alles war vorbereitet für einen guten Tag. Unser Hotel war bewusst nur ca. 30 min vom Start-/Zielort entfernt ausgewählt. Ich stand 6:30 Uhr auf und hatte eine ruhige, erholsame Nacht. Um 9:20 Uhr sollte meine Startgruppe mit einer Zielzeit von 3h:45min beginnen. Die Profis starteten bereits 8:15 Uhr. Ich hatte genügend Zeit um wach zu werden und ein klein wenig zu essen. Eine Banane und ein Müsliriegel, mehr kann ich vor einen Marathon nicht essen. Aber hier ist jeder Marathoni anders. Viele Essen ein Porridge oder Rührei – nicht meins. Definitiv sollte man aber nicht zu viel essen, sonst ist der Körper zum Startschuss noch mit der Verdauung beschäftigt. Außerdem sollte das kleine Frühstück ca. 2,5-3 Stunden vor dem Lauf zu sich genommen werden. Um 7:45 Uhr verließen wir das Hotel und machten uns zum Arc de Triomphe auf. Dort war auf der Champs Elysees der Start. Das Ziel und der Vorbereitungsbereich waren auf der Avenue Foch, einer zum Arc de Triomphe zulaufenden Straße. Dort sind wir um ca. 8:15 Uhr angekommen. Genügend Zeit um sich zurechtzufinden und die letzten Vorbereitungen vorzunehmen.

Mit knapp 60.000 Teilnehmer*innen ist der Marathon de Paris ein echtes Schwergewicht. Zum Vergleich: Der Berlin Marathon als Deutschlands größte Laufveranstaltung hat ca. 44.000 Teilnehmer*innen. Die weitläufige Avenue Foch und die Champs Elysees ließen aber ohne Probleme diese Menschenmassen zu, auch weil der Veranstalter clever in etwas kleinere Startgruppen die Läufer*innen auf die Strecke schickte. 9:20 Uhr war meine Startgruppe mit einer Zielzeit 3h:45min dran. Um 9:31 Uhr überquerte ich die Startlinie und mein Marathon de Paris begann.

Aufgrund der kalten Temperaturen entschied ich mich für ein langes Outfit. Dazu war der Plan nach einiger Zeit und steigenden Temperaturen ein Unterhemd auszuziehen – Zwiebellook. Meine Rennstrategie ist immer sehr konstant zu laufen. Wie ein Schweizer Uhrwerk will ich meine Pace auf einem Niveau halten und am besten in der zweiten Rennhälfte etwas schneller sein gegenüber der ersten Rennhälfte. Dazu muss man aber seine Tagesform kennen bzw. spüren. Diese Fähigkeit erlernt jeder durch die vielen langen Trainingsläufe. Denn im Marathon rächt es sich etwas mit der Brechstange zu versuchen. Denn spätestens nach ca. 30 km kommt der berühmte „Mann mit dem Hammer“ und man hat ein völligen Leistungseinbruch, wenn man nicht in seinen Körper hineinhört und Ziele aufgrund der Bedingungen anpasst. Darum laufe ich die ersten 2 km im Tempo für meine Zielzeit und überprüfe, ob meine gefühlte Tagesform diese Pace zulässt oder nicht. Im Zweifel sollte man immer sein Ziel defensiver anpassen. Ich wählte eine Zielzeit von 3h:35min, also eine Pace von 5:05 min/km. Nach 2 km war für mich klar – ja das passt heute.

Der Marathon de Paris war der erste Marathon nach 2,5 Jahren, weil Corona für viele Absagen sorgte. Ich genoss den Lauf von Sekunde eins an. Dazu trug das „Kaiserwetter“ bei, denn die Pariser kamen en masse auf die Straße und jubelten den Läufer*innen frenetisch zu. Für die Läufer*innen ist dies das I-Tüpfelchen und Motivationsspritze. Zusätzlich gibt es gefühlt an jedem Kilometer Bands, Orchester, DJ’s, Sänger*innen – welche die Stimmung anheizen. Polizisten*innen, Feuerwehrleute und viele mehr standen Spalier und peitschten uns nach vorne. Meine Frau tat dasselbige an unseren geplanten Treffpunkten. Für mich war es von Start bis Ziel der schönste Marathon in meiner Laufkarriere.

Bei km 10 merkte ich, dass meine Form gut war. Ich steigerte das Tempo etwas unter 5:00 min/km. Halbzeit 1 durchlief ich mit ca. 1h:46min und war voll im persönlichen Soll. Neben den Zuschauer*innen ist die Strecke ein echtes Highlight. Der Streckenverlauf bringt einem gefühlt an alle weltbekannten Pariser Sehenswürdigkeiten vorbei. Kulisse und Panorama sind Weltklasse und schon ziemlich einzigartig. Langsam wurde es auch wärmer und mein Lauf fühlte sich sehr rund an. Ich fühlte mich gut – steigerte peu à peu mein Tempo. Die Verpflegungsstationen waren professionell besetzt, so dass es keine Probleme bei Wasseraufnahme gab. Dazu esse ich an jeder zweiten Verpflegungsstation ein Stück Banane und insgesamt nehme ich im Marathon 4 Energieriegel zu mir, um die Energieversorgung sicherzustellen. Insgesamt verbrenne ich ca. 3.000 kcal während dieses Marathons, darum ist Wasser- und Essenszufuhr überlebenswichtig während eines Marathons. Das muss auch regelmäßig sein, sonst kommt es ohne vorige Ankündigung zum Leistungseinbruch.

Bei km 34 kam ein fieser Anstieg, der vielen sorgenvolle Falten ins Gesicht trieb. Hier zeigte sich meine gute Rennstrategie und ich pflückte durchs Feld. Nach km 36, dem Ziel bereits recht nah, zählt nur noch der Wille. Alle Läufer*innen die so weit kamen, sollten das Ziel jetzt erreichen. Darum sehe ich immer mehr Gesichter, die einen Mix aus Qual und Freude zeigten. Auch ich freute mich bald das Ziel zu erreichen und dabei eine sehr gute Zeit zu laufen. Auf den letzten Kilometern ist die Unterstützung der jubelnden Zuschauer*innen enorm wichtig für die Läufer*innen. Sie kitzeln die letzten Kräfte aus den Athleten*innen heraus und pushen sie ins Ziel. Bei km 40 wurde mir auf einmal bewusst, dass ich 20 Sekunden unter der Zielzeit von 3h:30min war. Das stachelte mich an das Tempo weiterhin hochzuhalten und die Zeit zu unterbieten. In meiner Marathonplanung war die Zielzeit unter 3h:30min nur unter optimalen Bedingungen geplant und ein Wunsch, der zwar nicht unrealistisch ist, aber doch ambitioniert. Ich gab nochmal alles, um den Vorsprung ins Ziel zu bringen bzw. etwas auszubauen. Nach 42,195 km stoppte meine persönliche Zeit im Ziel bei 3h:29min:26s – Wahnsinn 😊

Im Ziel angekommen umarmte mich ein französischer Läufer vor Glück, weil ich ihn über mehrere Kilometer ins Ziel gezogen habe. Alle Finisher strahlten vor Freude und gleichzeitig sah man in jedem den Kraftakt. Die Strapazen waren jedem anzusehen, aber alle befanden sich in einem Zustand zwischen Euphorie und Schmerz. Ich persönlich war überglücklich. Einerseits über das Rennen und die Eindrücke, andererseits über das Resultat, weil es die vielen Mühen und Verzichte für meine Frau und mich belohnte.

Und die Medaille war der Extralohn 😊

Paris ist immer eine Reise wert. Vielleicht habt ihr jetzt Lust auf die etwas andere Art von Sightseeing in Paris. Der Marathon de Paris ist zwar nicht günstig, aber mit solch anderen großen, den sogenannten Major-Läufen, vergleichbar preisintensiv. Das Geld lohnt sich, denn die Organisation bekommt von mir eine glatte „1“.“

Anbei zwei Links vom Lauf: ein Video nur von mir und ein Image-Video.

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https://www.youtube.com/watch?v=nSGflUEO4nY

Thomas